Vielen Menschen fällt es schwer, die Funktionsweise von Bitcoin zu verstehen. Sei es, weil es etwas ganz Neues darstellt, ungewohntes ist, rein digital funktioniert, der Bezug zur Technik fehlt oder aus einem ganz anderen Grund.
Ich möchte versuchen, Ihnen in diesen Zeilen zu erklären, wie Bitcoin auf das wesentliche heruntergebrochen funktioniert anhand eines praktischen Beispiels aus der Vergangenheit.
Das Steingeld der Insel Yap
In vergangenen Epochen existierte auf der Insel Yap in Mikronesien die Währung „Rai“ auch „Steingeld“ genannt. Die Bewohner der Insel benutzten in der Mitte gelochte Steinscheiben als Zahlungsmittel. Die Steinscheiben hatte unterschiedliche Durchmesser von 30 cm bis zu 4 m und konnten teilweise mehrere Tonnen wiegen.
Das Besondere an den Steinen war, dass diese nicht auf der Insel Yap gefertigt werden konnten. Das Gestein stammte von der 450 km entfernten Inselgruppe Palau. In aller Regel waren es junge Männer, die sich in Bambusflößen auf den Weg nach Palau begaben, um Steine zu brechen und diese anschließend wieder zurück in die Heimat transportierten. Die Hin- und Rückreise dauerte dabei durchaus ein Jahr oder länger. Außerdem waren diese Expeditionen mit hohen Risiken verbunden. So setzte jeder Teilnehmer sein Leben aufs Spiel, Steine zerbrachen kurz vor der Fertigstellung oder gingen bei der Heimreise unter und legen auf dem Meeresgrund.

Besitzverhältnisse definiert über Steine
Auf der Insel Yap dienten die Steine zur Festhaltung von Besitzverhältnissen. Es war üblich, dass die Steine gut sichtbar an Wegen oder vor Hütten platziert wurden. Da die Steine schwer zu bewegen waren, verblieben diese auch meist an derselben Stelle.
Die Besitzverhältnisse des Steines waren im kollektiven Gedächtnis der Dorfgesellschaft festgehalten. Soll heißen: Stein A stellte als Beispiel den Besitz der Hütte B dar. Jedes Mitglied der Dorfgemeinschaft wusste darüber Bescheid, wem der jeweilige Stein im Dorf gehörte und mit welchem Besitz dieser verknüpft war. Der Besitz konnte dabei alle möglichen Gegenstände darstellen. Häufig wurden damit jedoch Boote, Häuser und Land bezahlt. Änderte sich beispielsweise der Besitz der Hütte B, weil eine andere Person oder Familie diese erwarb, so wurden alle Dorfmitglieder darüber unterrichtet und alle aktualisierten in Ihrem Gedächtnis die Besitzverhältnisse dieses Steines auf die neuen Gegebenheiten. Durch das gemeinsame Gedächtnis der Dorfgemeinschaft, welches über die Generationen weitergegeben wurde, war immer und zu jeder Zeit klar, wem jener Stein gehört und mit welchem Besitz dieser verknüpft ist.

Westlicher Einfluss
Das Steingeld war auf der Insel Yap über Jahrhunderte ein stabiles Zahlungsmittel und erfüllte seinen Zweck. Erst mit dem Einfluss westlicher Bevölkerung verlor das Steingeld an Wert. Im Jahr 1871 erlitt der Amerikaner David O’Keefe Schiffbruch und wurde auf Yap gesund gepflegt. In diesem Zuge lernte O’Keefe das Steingeld kennen. Er kam auf die lukrative Idee, in Hongkong ein chinesisches Segelschiff zu erwerben, welches den Flößen aus Yap weit überlegen war. O’Keefe bot den Inselbewohnern sein Schiff an, welches sie schneller und sicherer nach Palau bringen würde. Als Gegenleistung verlangte er dafür getrocknetes Kokosfleisch, welches er wiederum weiterverkaufte um sich zu bereichern.

Die Inflationierung des Steingeldes
Durch die Überlegenheit des Segelschiffes gegenüber den Flößen war es den Yap-Bewohner möglich, die Steine schneller und verbunden mit geringerem Risiko in Palau zu besorgen. Bis zu O’Keefes Tod kamen dadurch pro Jahr etwa 150 Steine zusätzlich nach Yap und lösten dort eine Inflation aus.
Durch den Einsatz einer modernen Technologie, in diesem Falle das chinesische Segelboot, verloren, die Steine an Seltenheit, da es massiv vereinfacht wurde diese zu besorgen. Die Geldmenge wurde also in die Höhe getrieben und der Wert der Steine verlor an Wert, mit jedem Stein, der dazu kam.
Parallelen zu Bitcoin
Das Vorgehen, die Besitzverhältnisse des Steingeldes über das kollektive Gedächtnis der Dorfgesellschaft festzuhalten, entspricht der Blockchain-Technologie bei Bitcoin. In der Blockchain sind alle Bitcoin Transaktionen seit Bestehen des Netzwerkes festgehalten. Hier sind also die Besitzverhältnisse von Bitcoin eindeutig dokumentiert. Dadurch, dass die Blockchain auf zehntausenden von Rechnern weltweit läuft und diese untereinander ständig automatisch miteinander abgeglichen werden, bestätigen alle Teilnehmer im Bitcoin-Netzwerk die Besitzverhältnisse.
Die Dorfbewohner der Yap-Inseln sind sich einander einig, über welchen Stein einer Person ein gewisser Besitz zugerechnet wird. Würde ein Dorfbewohner ein Besitzverhältnis anzweifeln und es für falsch deklarieren, weil er z. B. denkt, dass die Hütte A der Person C gehört und nicht Person B, dann würde das alle anderen Dorfbewohner auf den Plan rufen, welche diese Aussage mit ihrem Gedächtnis abgleichen. Sollte der eine Dorfbewohner falsch liegen und die Mehrheit ihm in seiner Aussage nicht zustimmen, so hätte er den Besitz so zu akzeptieren und wäre verpflichtet seine Datenbank bzw. sein Gedächtnis auf den aktuellen Stand zu bringen. Das Ergebnis der Mehrheit der Teilnehmer bestätigt also die Besitzverhältnisse. Die Datenbank könnte nur abgeändert werden, wenn 51 % etwas Gegenteiliges behaupten. So funktioniert es auch bei Bitcoin.

Faktoren der Wertbeständigkeit
Der Faktor, der das Steingeld bei den Bewohnern der Yap-Inseln zu einer harten Währung machte, welche über lange Zeit stabil in ihrer Kaufkraft blieb, war der Umstand, dass die Steine nur äußerst schwer zu besorgen waren. Es nahm viel Zeit und Energie in Anspruch. Bis zu dem Zeitpunkt als David O’Keefe mithilfe seines Segelschiffes das Verfahren extrem vereinfachte.
Ähnlich verhält es sich bei Bitcoin. Bei der Schaffung neuer Bitcoins muss Energie in Form von elektrischer Energie für die Rechenleistung der Computer, welche neue Bitcoin schürfen, aufgewendet werden. Außerdem benötigt es Zeit, neue Bitcoins zu erschaffen. Des Weiteren ist die maximale Anzahl an Bitcoins begrenzt auf 21 Millionen Einheiten. Es werden so lange neue Bitcoins geschürft, bis die maximale Menge von 21 Millionen Bitcoins erreicht ist. Ab diesem Zeitpunkt gibt es keine neuen Bitcoins mehr, die dem Netzwerk hinzugefügt werden. Diese Eigenschaft macht Bitcoin zu einer noch härteren Währung als das Steingeld der Yap Bewohner, da es absolut begrenzt ist und das Angebot an Bitcoins nicht beliebig angepasst bzw. erhöht werden kann.
Quellenangabe:
https://www.stadtmuseum-duisburg.de/steinreich-in-mikronesien-das-steingeld-von-yap/#:~:text=Auf%20dem%20Archipel%20Yap%20in,und%20teilweise%20mehrere%20Tonnen%20wiegen.
https://twitter.com/TheBTCTherapist/status/1679584519039361027